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Gesichtserkennung und Personalauswahl - gibt es da 'was von künstlicher Intelligenz?

Künstliche Intelligenz ist eine faszinierende Technologie. Verfahren, die für ganz andere Zwecke entwickelt wurden, finden zunehmend Einzug in die Personalauswahl. Was ist dazu wichtig?

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Neue Versprechen - Technologie wird's richten.

Personalentscheidungen scheinen mühsam, und man kann sich irren. Um Sie als Entscheider zu entlasten, kommen immer wieder "einfache" Verfahren auf den Markt. Viele arbeiten mit künstlicher Intelligenz. Doch einige Verfahren sind mehr als problematisch. Beurteilen Sie Bewerber lieber fachgerecht – eine Frage der Ehre für beide Seiten.

Vielen scheinen Auswahlentscheidungen im Recruiting aus mühsam.

Wer Leute einstellt, der trifft Entscheidungen. Wer dabei falsch entscheidet, erzeugt Frust – für das Unternehmen, die Führungskraft und den jeweiligen Mitarbeiter. Gibt es da nicht etwas von künstlicher Intelligenz?

Neuerdings schon. So verspricht ein Anbieter: „Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen unseren Persönlichkeitsmerkmalen und unserem Gesicht" (zur Quelle ).

Wow – endlich die definitive Komplexitätsreduktion!

Doch hat das auch Nebenwirkungen? Und ist das eigentlich…ethisch?

Immerhin hat nicht nur der renommierte Wirtschaftspsychologe Professor Kanning schon 2010 ein Buch geschrieben mit dem Titel „Von Schädeldeutern und Scharlatanen“. Er schreibt: “ Bis heute gibt es mithin weder eine plausible noch eine empirisch auch nur annähernd bestätigte Theorie der Physiognomik, die uns einigermaßen überzeugend erklären könnte, warum an der Schädel- oder Körperform die Persönlichkeit eines Menschen ablesbar sein sollte“ (S. 73).

Dafür gibt es etwas anderes: die inzwischen sehr gut entwickelte, auf künstliche Intelligenz basierende Technik der Gesichtserkennung. Entwickelt wurde sie für Überwachungszwecke, wo sie auch nach wir vor zum Einsatz kommt: „Diese Identifizierung stützt sich auf sichtbare, individuelle anatomische Merkmale im Bereich des Gesichtes bzw. Kopfes“ (Quelle: Bundeskriminalamt ).

Wo ist das Problem?

Das bedeutet im Klartext: eine Technik, die aus einem ganz anderen Feld kommt, findet plötzlich Eingang in die Personalauswahl. Dabei ist es ein Riesenunterschied, ob eine Technik Gesichter erkennt und identifiziert – oder ob aus Gesichtszügen „Persönlichkeitsmerkmale“ abgeleitet werden.

Okay… Aber warum ist das kritisch?

  • Weil „Gesichtsanalysen“ mit der Ableitung von „Persönlichkeitsmerkmalen“, vorsichtig ausgedrückt, begrenzt belegt sind.
  • Weil dadurch die Ableitung von „Persönlichkeitsmerkmalen“ und Jobentscheidungen für alle Beteiligten intransparent sind. Die Entscheidungen der Software bleiben eine Blackbox – ein sehr kritischer Punkt, der hier erläutert ist.
  • Weil die Gesichtserkennung auch ohne „Analyse“ schon umstritten ist.

Denn: „Das Gesicht ist das persönlichste Datum eines Menschen. Es hat eine hohe soziale Bedeutung und kann nicht abgelegt werden.“
(Quelle: Blogbeitrag von Ann Kathrin Höhn und Torben Wassermann für den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Informations- und Kommunikationsrecht, Gesundheitsrecht und Rechtstheorie der Universität Hamburg).

Und weil Sie als Führungskraft oder Personaler Methoden nutzen sollten, um Bewerber fachgerecht zu beurteilen – eine Sache der Ehre für beide Seiten.

Was steckt dahinter?

Hinter Anwendungen künstlicher Intelligenz steht Einsatz und Auswertung enormer Datenmengen. Neu ist dabei, dass einige Wissenschaftler den Anspruch verändern. Es geht nicht mehr um sinnvolle Erkenntnisse, sondern um Erkenntnisse, die rein durch Zusammenhänge in großen Datenmengen ermittelt werden. Analysen größere Datenmengen, so die Vorstellung, mache klassische Wissenschaft obsolet, denn „correlation is enough“. Professor Dr. Felix Naumann, Leiter Fachgebiet Informationssysteme am Hasso Plattner Institut in Potsdam, bespricht dieses neue Paradigma in seinem Grundkurs für Datenmanagement .

Es ist nicht ersichtlich, ob „Persönlichkeitsmerkmale“, die auf Basis von „Gesichtsanalysen“ erstellt werden, überhaupt auf Zusammenhänge in den Daten basieren. In der Begründung des Anbieters („Wissenschaftlich erwiesen!“) geht es wild durcheinander: zitiert werden unter anderem Erkenntnisse aus der überaus umstrittenen Videoüberwachung, über die akute Gefahrensituationen (keineswegs Persönlichkeitsmerkmale) erkannt werden sollen.

Nebenbei bemerkt: da Sie Ihr Gesicht ja nicht ändern können, außer durch OPs, sind Ihre „Persönlichkeitsmerkmale“ nach dieser Logik halt unveränderbar….Vergessen Sie also jede Freude an persönlicher Entwicklung!

Und nun?

Zeigen Sie Ihre Kompetenz in Sachen Personalauswahl und verzichten Sie auf kritische Verfahren. Dass Technik keineswegs „objektiv“ ist, sondern Vorurteile abbildet, können Sie hier nachlesen.

Beeindrucken Sie Bewerber mit strukturierter Interviewtechnik, klarem Kopf und Souveränität. Das ist es nämlich, was erwachsene Menschen im Bewerbungsprozess erwarten.

Informationen zu strukturierter Auswahl finden Sie, praxisnah aufgearbeitet, auf der Infowebsite für Entscheider.